Warum ich mich als Bürgermeister bewerbe…

Bürgermeister Marktoberdorf Kandidat Jörg Schneider Bündnis 90 / Die Grünen

[Meine Bewerbungsrede auf der Aufstellungsversammlung „Bürgermeister-Kandidat bei der Kommunalwahl 2020“ am 12. November 2019  im Gasthaus „Zum Sailer“, Marktoberdorf]

Zunächst möchte auch ich Euch alle begrüßen, die Ihr heute gekommen seid. Mitglieder der Grünen, Kolleginnen aus der Schule, Freunde und Weggefährten, Familie. Schön, dass Ihr da seid. Das tut gut!

Ich glaube, ich muss mich nicht mehr großartig vorstellen. Vieles wurde ja seit der Nominierungsversammlung vor 2 Monaten geschrieben, berichtet und erzählt. Nur so viel:

Mein Name ist Jörg Schneider, ich bin 53 Jahre alt, habe 4 erwachsene Kinder, bin geschieden. Ich mache gern Musik, singe im Orffchor, ab und zu auch im Kirchenchor und zur Fasnacht auch mit anderen lustigen Gesellen. Ich bin gern in der Natur unterwegs. Von Kindesbeinen an bin ich im christlichen Glauben beheimatet und fühl mich dort – bei aller kritischen Distanz – sehr wohl.

Seit 2004 bin ich Rektor der Grundschule St. Martin, zuvor war ich 10 Jahre Lehrer an der Adalbert-Stifter Grundschule. Insgesamt bin ich also seit 27 Jahren im Schuldienst – und bis zum heutigen Tage auch sehr gern. Im Sommer 2018 wurde ich Mitglied bei den Grünen. Bin hier also ein Frischling. Politisch ohne Vergangenheit, jedoch nicht unerfahren. Quereinsteiger also. Und das kann auch ein Vorteil sein – höre ich zumindest immer wieder.  Vor allem bin ich der Schneider Jörg, mit Ecken und Kanten, mit Hoffnungen und Sehnsüchten, mit Kraft und Energie – aber auch mit Grenzen – und Fehlern.

So, das muss reichen zu meiner Vita, denn ich denke, die meisten hier kennen mich in ausreichendem Maße – privat, beruflich, wie eben auch politisch.

Heute hier zu sein, und im Zentrum einer Abstimmung zu stehen, in der es um meine berufliche Zukunft geht – vielleicht die Zukunft bis zum 15. März, vielleicht aber auch darüber hinaus –  ist zweifelsohne eine Besonderheit in meinem Leben, vielleicht sogar eine Zäsur. Jedenfalls ist es neu für mich – sowas hatte ich noch nie. Und es erfüllt mich augenblicklich mehr mit Dankbarkeit als mit Angst und Sorge.

Heute also stimmen die Mitglieder des Ortsverbandes der Grünen aus Marktoberdorf darüber ab, ob sie mich als Kandidaten für das Bürgermeisteramt ins Rennen schicken wollen. Ende Mai habe ich mich dem Ortsvorstand erklärt und deren Anfrage, ob ich mir dieses Amt vorstellen und zutrauen würde, bejaht. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, seither ist alles klar und eindeutig und zweifellos. Immer wieder fragt man sich und frage ich mich:

Hab ich das im Kreuz?

Kann ich das, will ich das, brauch ich das?

Bin ich der richtige Kandidat für die Grünen, wenn ich mit meinem Toyota Hilux meinen ökologischen Fußabdruck definitiv nicht optimiere?

Ist es nicht im höchsten Maße unklug, der Martinsschule, in der ich Teil eines großartigen Teams bin – im Falle des Wahlsieges – den Rücken zuwenden zu müssen?

Ist es nicht seltsam – jetzt mit fast Mitte 50 – nochmal was ganz anders anzustreben?

Viele Fragen also, ganz zu schweigen von der folgenden:

Macht es überhaupt Sinn, gegen einen amtierenden und geschätzten Bürgermeister anzutreten, der fleißig und engagiert sein Amt ausübt und vollzieht.

Ist es nicht sogar unredlich und moralisch fragwürdig, gegen Wolfgang Hell anzutreten, dem ich mich – durch viele Jahre beruflicher Zusammenarbeit – loyal und  freundschaftlich verbunden fühle?

Trotz dieser vielen Fragen, trotz dieser vielen persönlichen wie strategischen Fragezeichen, habe ich mich vor einigen Monaten zur Kandidatur bereiterklärt – und tue es bis heute –  und in besonderer Weise am heutigen Abend.

Warum?

Zunächst: natürlich fühlt sich das gut an, fühlt man sich gebauchpinselt, wenn ein gesamter Ortsvorstand – bestehend aus klugen und politikerfahrenen Leuten – vor einem steht und fragt:

„He, machst du unseren Bürgermeisterkandidaten?“

Das heißt ja übersetzt: „Wir halten Dich für passend, für fähig, für geeignet, dieses komplexe und schwierige Amt zu packen!“

Das tut gut, und ist weit mehr als nur Rückendeckung, aber ist und war natürlich nicht ausschlaggebend für meine Bereitschaft.

Warum also?

Es geht mir in hohem Maße darum, Demokratie zu leben und zu beleben. Und dazu gehört auch, dass eine Wahl eine WAHL ist. Dass die Bürgerinnen und Bürger eine Aus-Wahl an Kandidatinnen und Kandidaten haben – unabhängig von der Güte oder der Anstrengungsbereitschaft des bestehenden Systems. Wir kennen die Pseudowahlen zur Genüge aus den ehemaligen aber auch aktuellen kommunistischen Ländern. Aber in Marktoberdorf sollen die Bürgerinnen und Bürger die Wahl haben, eine Auswahl haben, auch eine Auswahl an guten und sympathischen Kandidaten. Das macht es den Oberdorfer Wählern nicht leichter – aber so ist nun mal gelebte Demokratie.

Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb ich mich zur Wahl stelle:

Der entscheidende Grund, weshalb ich meinen Hut in den Ring werfe, ist:

Weil ich hier lebe, weil hier meine Heimat ist, weil ich mich Marktoberdorf und seinen Bewohnern verbunden fühle, vielleicht auch, weil ich Marktoberdorf ein Stück weit liebe – und deshalb eine Vision, eine Vorstellung, eine Idee von diesem liebenswerten Ort habe. Ich habe ein Bild davon, wie Marktoberdorf sein könnte. Was alles möglich wäre, heute wie zukünftig. 

Der zentrale Begriff heißt „Stadtentwicklung“. Wo muss sich unsere Stadt hin entwickeln, damit sie uns Wohn-Ort und Arbeits-Ort und Freizeit-Ort sein kann? Was braucht es für Ideen und Ansagen, für Pläne und Konzepte, dass Marktoberdorf sich ökologisch und ökonomisch und sozial weiter entwickeln kann?

Schaut man sich diese Entwicklungsfelder genauer an, merkt man schnell, dass sie sich gegenseitig bedingen:

Will ich ein ökologisches Marktoberdorf, muss ich Dinge wie den Öffentlichen Nahverkehr endlich auf die Bahn bringen. Dann muss ich mich kümmern um Busbahnhof und Fahrradfreundlichkeit, dann muss ich mich kümmern um den Fußgänger, muss Verkehrsberuhigung in der Innenstadt ermöglichen.

Will ich ein ökologisches Marktoberdorf, muss ich den Klimaschutz und die Bewahrung der Schöpfung zur Grundbedingung für Verkehr und Wohnbau und Energiewirtschaft machen!

Das erfordert einen Plan, ein richtiges Konzept –  auch eines, das über die nächste Legislaturperiode hinausreicht, und eines, in der der Stadt die Vorreiterrolle zukommt!

Will ich ein ökonomisches Marktoberdorf, muss ich natürlich den Wirtschaftsstandort sichern und optimieren, muss Partner und Förderer der Gewerbetreibenden sein.

Will ich ein ökonomisches Marktoberdorf, muss ich sorgsam mit meinen finanziellen Ressourcen umgehen, muss auch zurückgreifen auf Pläne und Gutachten, die schon lange in den Schubladen liegen.

Das erfordert einen Plan, ein richtiges Konzept!

Will ich ein soziales Marktoberdorf, muss ich anstreben, eine Gesellschaft zu einer Gemeinschaft zu formen. Dann muss ich mich um Alte ebenso kümmern wie um die Kleinsten. Dann muss ich Jugendlichen ebenso unter die Arme greifen wie Familien. Dann muss ich den Wohnungsmarkt aktiv mitgestalten und darf ihn nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen.

Will ich ein soziales Marktoberdorf, muss ich den Norden ebenso wertschätzen wie den Süden, die Stadtteile ebenso ins Geschehen einbinden wie die Kernstadt. Dann muss ich die Integration zur Chefsache machen, damit die Tendenz zur Ausbildung von Parallelgesellschaften unterbrochen wird. Will ich ein soziales Marktoberdorf, dann muss ich vermitteln und moderieren, genauso wie Kompromisse schließen. Aber ich muss auch klare Kante zeigen, muss Unrecht und Ausgrenzung anprangern, und Populismus und Nationalismus beim Namen nennen.

Das erfordert Mut, einen Plan, ein richtiges Konzept –  auch eines, das über die nächste Legislaturperiode hinausreicht, und eines, in der der Stadt die Vorreiterrolle zukommt!

Wenn ich die Ökologie ins Zentrum meines Handelns stelle, agiere ich langfristig und nachhaltig sozial und ökonomisch.

Wenn ich die Ökonomie, als Prozess begreife, der zum einen wirtschaftsfördernd aber gleichzeitig nicht primär gewinnmaximierend agiert, handle ich in hohem Maße sozial und ökologisch.

Und wenn ich den sozialen Aspekt in den Fokus meines Handelns rücke – und das würde einer Stadt gut zu Gesichte stehen, die den Heiligen Martin in ihrem Wappen trägt – wenn ich also alles Gemeinschaftsfördernde zum Prinzip meines Handelns mache, ist dies wirksam hin auf Ökologie und Ökonomie – auch weil ohne den sozialen Frieden nichts  mehr funktioniert.

Ich weiß:  das alles zu initiieren und zu begleiten, zu führen und zu kanalisieren, zu delegieren und zu leiten, ist alles andere als ein leichtes Geschäft. Das geht nur im Wissen um seine eigenen Stärken und Schwächen. Aber ich glaube, ich bringe viele dieser Fähigkeiten mit, die notwendig sind, eine Stadt zu führen. Ich denke ich kann gut mit Menschen – vielleicht ist das sogar eine meiner stärksten Eigenschaften: zuhören, annehmen, wertschätzen, spiegeln, verstärken, zum Nachdenken bringen – und Klarheit signalisieren,   Ansagen machen, im Zweifelsfall unpopuläre Entscheidungen treffen – und dazu stehen.

Eine Stadt führt man nicht allein. Es wird immer ein Zusammenspiel aus demokratisch Gewählten, den Mitarbeitern der Stadtverwaltung und der Bevölkerung sein.

Dazu braucht es Vertrauen in eine gute und flexible und kompetente Verwaltung. Dazu braucht es Vertrauen in einen Stadtrat (und ganz bestimmt in einen weiblicheren Stadtrat als den, den wir augenblicklich haben!!!), dem die Sache das wichtigstes ist – unabhängig von politischen Parteien oder Farben, und das geht nur in der Beteiligung und Einbindung der Bevölkerung in politische Prozesse – junge wie alte, Familien wie Alleinlebende, Etablierte wie am Rand Stehende, Einheimische wie Zu´greiste, Deutsche wie Menschen andere Nationalitäten. Und das erfordert Transparenz und Mut und eben Vertrauen.

Bevor ich zum Ende komme – eine Botschaft, eher eine Bitte, an die anderen demokratischen Parteien in Marktoberdorf:

Zeigt Mut und Stärke im Hinblick auf die Kommunalwahlen in 4 Monaten! Demonstriert demokratisches Selbstverständnis durch die Aufstellung eines Bürgermeisterkandidaten, einer Kandidatin!
Nur wenn wir uns aktiv um ein gutes politisches und gesellschaftliches Zusammenleben bemühen – und auch darum streiten! – , können wir denen die Stirn bieten, die populistisch und rechtsextrem unterwegs sind. Wir dürfen den Ewiggestrigen und denen die neu hinzugekommen sind nicht das Feld unserer politischen wie gesellschaftlichen Zukunft überlassen! Lethargie und Passivität gibt politische Räume frei… lasst uns das gemeinsam verhindern! Aber das erfordert Stärke und Mut und Charakter! Wir müssen aufstehen und unsere Stimmen gegen die erheben, die mit populistischen Parolen und dumpfer Schwarzweißmalerei einfache Lösungen anbieten wollen! Wir müssen denen die Stirn bieten, die den Minderheiten in unserer Gesellschaft den schwarzen Peter unterjubeln wollen! Mehr denn je sind wir, sind wir Demokraten, sind wir Menschen, die ihr Herz am richtigen Fleck tragen, in der Pflicht, Zivilcourage zu zeigen.

Und das will ich tun, auch mit meiner Kandidatur!

Und so bitte ich Euch um Eure Zustimmung, dass ich, der Jörg Schneider, für das Bündnis 90/Die Grünen im März 2020 für das Amt des Bürgermeisters hier in Marktoberdorf antreten kann.

Und wiederum bin ich mir sehr wohl bewusst:

Sowas macht man nicht allein, das geht nur mit Euch zusammen. Ich brauche eure Kraft und euren Willen, eure Ideen, eure Engagement!

Wenn ihr mitmacht, wird es uns gelingen, hier in Marktoberdorf Politik zum Wohle aller zu machen!

… wird es uns gelingen, Menschen zusammenzuführen!

Und wenn uns das gelingt, dann kann Marktoberdorf wachsen und gedeihen, dann kann ein ökologisches, ein soziales, ein ökonomisches, ein buntes und vielfältiges, ein familien-, ein alten-, ein jugendfreundliches Marktoberdorf entstehen, dann kann Marktoberdorf zur Heimat für viele werden, die hier arbeiten und wohnen und leben.

Die Grünen erleben augenblicklich bundesweit einen grandiosen Höhenflug, lasst uns diese Energie auch in Marktoberdorf nutzen!

Lasst uns ein neues Kapitel in der Geschichte unserer Stadt aufschlagen, nein: lasst es uns schreiben!

Lasst uns einen Anfang machen, denn wir wissen alle:

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben!“ … und der uns hilft Wahlen zu gewinnen!